Buenos Aires (AT) – Buenos Aires, November 2001. Argentinien befindet sich in einer tiefen Krise – wieder einmal. Die Wirtschaft des Landes taumelt, der Peso stürzt ab, die Wut steigt. Inmitten dieser unruhigen Zeiten, versuchen die “Vecinos de Pompeya” – eine fünfköpfige Tangoband – sich übers Wasser zu halten. Aber was können sie tun? Das Land verlassen? Genau das hat Julio, der Bandoneonspieler, vor. Er will zusammen mit seiner Tochter und seiner Mutter nach Deutschland auswandern. Julio nimmt sich vor, seine letzten Angelegenheiten in Buenos Aires zu regeln – doch so einfach läßt ihn die Stadt nicht gehen.
Germán Kral wurde 1968 in Buenos Aires geboren und zog 1991 nach Deutschland, um Filmwissenschaften zu studieren. Seit über 30 Jahren lebt und arbeitet er in Deutschland, realisierte unter anderem Projekte mit Wim Wenders und Florian Gallenberger.
Germán Kral: ein Zeitzeuge zwischen den Welten
AT: Warum haben Sie Film studiert? Und warum in Deutschland?
Kral: Ich habe damals die Filme von Wim Wenders vergöttert. Ich habe seine Werke so geliebt, dass ich sie selber machen wollte. Als ich las, dass er an der Hochschule für Fernsehen und Film in München studiert hatte, wollte ich mich unbedingt bewerben. Nach einem Jahr als Gasthörer wurde ich 1991 als regulärer Student aufgenommen. Das war eine tolle, aber auch schwierige Zeit.
AT: Woher stammt die Idee für den Film „Adiós Buenos Aires”?
Kral: Die Idee entstand 2003. Ich war dabei eine Dokumentarfilm über eine Tangobar in Buenos Aires, Bar El Chino, zu drehen, weswegen ich von der Tangowelt inspiriert wurde. Mit den Jahren hat sich die Geschichte zu dem entwickelt, was der Film jetzt erzählt: Jemand, der sein Land verlassen will, damals mit allem, was 2001 in Argentinien passierte (Anm. d. Red.: Kral bezieht sich auf dei Wirtschaftskrise 2001). Ich fand dies so brutal, und zudem beindruckend und verrückt, das ich beschloss diesen Zeitraum als Hintergrund für eine Geschichte zunehmen.
AT: Wie andere Filme von Ihnen ist auch dieser vom Tango geprägt. Warum wählen Sie den Tango als Leitmotiv für Ihre Werke?
Kral: Das ist durch Zufall passiert, es war nicht geplant. Meine erste bewusste Entdeckung des Tangos war 1991 in Berlin. Der Tango ist heutzutage für mich wie eine direkte Brücke von Deutschland nach Buenos Aires. Ich glaube deswegen ist der Tango in meinem Leben so wichtig. So sehr, dass es sich auf meine Filmwerke geprägt hat.
AT: Warum wurde der Film dieses Jahr veröffentlicht?
Kral: Dadurch, dass wir nur eine Chance hatten, das Drehbuch einzureichen und somit die Geschichte von Deutschland aus finanzieren zu können, nahm die Produktion 20 Jahre in Anspruch. Das der Film 2023 rauskam, ist also zufälligerweise passiert. Ein trauriger Zufall. Es ist tragisch zu sehen, dass die Themen, die damals aktuell waren, die gleichen Themen sind wie heute: Armut, Korruption, Menschen, die auswandern wollen.
AT: Warum ist es Ihnen wichtig, Ihren Film im Rahmen des deutschen Filmfestivals zu zeigen?
Kral: Es handelt sich um einen deutschen Film, da 75% der Finanzierung aus Deutschland stammt, der Rest ist Teil der INCAA-Förderung. Wir konnten von Deutschland aus eine Film finanzieren, der in Argentinien auf Spanisch gedreht wurde, der aber auch mit einem gemischten Team konzipiert wurde. Die gesamte Postproduktion wurde beispielsweise in Deutschland durchgeführt. In diesem Sinne fand ich es fantastisch, den Film im Rahmen des Filmfestivals zeigen zu können, denn es ist wirklich ein Film, der von beiden Ländern geschaffen wurde.
AT: In „Adiós Buenos Aires” verfolgen wir die Entscheidung des Hauptdarstellers, sein Land zu verlassen. Welche Bedeutung hat die Darstellung Kehrseite der Migration?
Kral: Im Moment, in dem man sein Land verlässt, öffnet sich eine Frage, die daraufhin im Leben sehr präsent wird. Man fragt sich, was mache ich, komme ich zurück oder bleibe ich? Nachher vergisst man die Angelegenheit im Alltag und lebt einfach weiter. Aber am nächsten Tag taucht die Frage wieder auf. Ich bin mir nicht sicher, was negative oder positive Aspekte am Auswandern sind. Ich lebe seit 32 Jahren in München und bin Deutschland extrem dankbar für alles, was ich erleben durfte. Ich habe in Deutschland studiert, ein Kind großgezogen, und habe dank Deutschland auch meine Filme machen können. Ich weiß aber auch, dass ich in Argentinien nicht mehr ganz Argentinier bin, so wie ich in Deutschland nicht ganz Deutscher bin. Manchmal ist es einfacher damit umzugehen, manchmal aber auch schwieriger. Allerdings ist es auch irgendwie mein Leben und mein Schicksal.
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