Buenos Aires / Düsseldorf (AT) – Der argentinische Wein ist eines der wertvollsten aber auch unbekanntesten Aktiva, die das Land zwischen Südatlantik und Anden-Kordillere zu bieten hat. Er gehört seit mehr als einem Jahrzehnt zu den sogenannten Weinen der Neuen Welt. Das sind Trauben und Qualitätsweine aus Australien, Neuseeland, USA, Südafrika, Chile und eben Argentinien. Trotzdem sind immer wieder vor allem Besucher aus Europa überrascht, wenn sie zum ersten Mal einen der hiesigen Etiketten probieren. „Ich wusste gar nicht, dass hier Wein angebaut wird und vor allem in der Vielfalt und Qualität“, ist eines der häufigsten Kommentare, die es dann in den zu hören gibt. Dabei ist Argentinien in Lateinamerika mit Nachbar Chile das Land mit der größten Anbaufläche. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums gibt es mehr 24.000 eingetragene Weinbaugebiete und 900 Bodegas. Dazu zählen Terroirs in 3.000m Höhe im nördlichen Salta sowie auch in der Wüsten-Steppe Patagoniens in Provinzen wie Neuquén oder Chubut. Dazu zählt aber auch die „Beste Bodega der Welt“, wie The World´s Best Vineyards – Referenzmedium unter Weinkennern – im September 2023 entschied.
Treffpunkt: ProWein
Das Potenzial der argentinischen Winzer aber auch das Soll, das es insbesondere auf den europäischen Märkten noch zu decken gilt, zeigte sich auch auf der vor einigen Tagen in Düsseldorf zu Ende gegangenen ProWein 2024. Die nach Angaben der Veranstalter 5.400 Ausstellern aus 65 Ländern sowie 47.000 Fachbesucher aus 135 Ländern machten das Treffen auch in diesem Jahr zur größten Weinmesse der Welt. Mit mehr als 31 vertretenen Bodegas, zeigten die argentinischen Winzer vom Ende der Welt Flagge in Düsseldorf: die Argentinier brachen nicht nur ihren eigenen Anwesenheits-Rekord sondern stellten auch das größte Kontingent aus Lateinamerika.
Die Mühe kann nicht verwundern nach dem annus horribilis 2023. Ein „Cocktail“ aus Kostenexplosion, Inflation und Exportbeschränkungen brachten im letzten Jahr dem gesamten Sektor Umsatzeinbußen im zweistelligen Bereich. Eine der schwersten Dürren der letzten zwei Jahrzehnte tat ihr Übriges. Im Auslandsgeschäft verkauften argentinische Winzer gerade mal 1.850.000 Hektoliter Liter. Das entspricht einem Einbruch um 25% (77% Flaschenwein) zum Vorjahr, nach Angaben des Research-Unternehmens OeMv. Die Einnahmen lagen mit insgesamt US$ 652 Millionen, 17% unter den Zahlen von 2022. Vergleichbare Werte finden sich zuletzt für das Jahr 2004, so OeMv.
So war es kein Wunder das die argentinischen winemaker nach Düsseldorf kamen, um auf der ProWein „Neustart“ zu drücken. Unter ihnen waren auch Laura Catena und Alberto Arizu. Sie ist Managing Director von Bodega Catena Zapata & Luca Winery. Er, der CEO von Bodega Luigi Bosca. Ihre Nahmen stehen repräsentativ für den neuen argentinischen Wein.
Die „Beste Bodega der Welt“
Laura Catena (Mendoza, 1967) leitet die Geschäfte und auch die Zukunft des Weiunternehmens, dass Ihr Großvater im Jahre 1902 gründete. Mit Sitz in Agrelo, Luján de Cuyo, Mendoza, gelten die Trauben von Catena Zapata unter Kennern als Weltspitze. So war es für viele auch keine allzu große Überraschung als World´s Best Vineyards im letzten Jahr Catena Zapata zur eben besten Bodega weltweit kürte. Das Unternehmen produziert heute mehr als 300.000 Flaschen pro Jahr – darunter preisgekrönte wie Adrianna Vineyard River Malbec- auf einer Rebfläche von insgesamt 700 Hektar. Als ein entscheidender Grund des Erfolges gilt Lauras Werdegang. Die heutige CEO studierte Medizin in Harvard und machte ihren PhD in Stanford.
Erst 1995, kam sie zurück ins Familienunternehmen, um an der Seite ihres Vaters, Nicolas Catena Zapata das das Familienunternehmen mit einer Kombination aus Energie, Innovationsfreude und wissenschaftlicher Forschung ins nächste Jahrtausend zu führen. Ihre Marschroute dafür hielt sie im Buch Vino Argentino, An Insider´s Guide to the Wines and Wine Country of Argentina. Die New York Times und The Wall Street Journal gaben ihr dafür Bestnoten.
Die erste DOC Lateinamerikas
Alberto Arizu ist Winzer in vierter Generation. Urgroßvater Leoncio Arizu gründete vor 120 Jahren das in Luján de Cuyo, Mendoza ansässige Unternehmen, das auf rund 500 Hektar von Malbec bis Chardonnay die ganze Bandbreite argentinischer Trauben anbaut. Die Arizus gehörten zu den Pionieren, die Mitte der 90er Jahre das Château-Modell im bis dahin auf Massenweine fokussierten argentinischen Markt etablierten. Unter dem Label „Boutique-Wein“, brachte die Familie Arizu -zusammen mit Etiketten wie Adrianna, Las Hormigas, Poesía, Renacer, El Porvenir oder Renacer, um nur einige zu nennen- die Produktion von Qualitätsweinen auf kleineren Terroirs ins Rollen. Noch im Jahr 2000 produzierten Winzer 13.465 Hektoliter. Ein Jahrzehnt später waren es 11.778. Das Prinzip „Weniger ist Mehr“ spiegelt sich auch an der gesamten Rebfläche: diese fiel von 208.000 Hektar 2000 auf heute 192.512 Hektar, nach Angaben von Wines of Argentina. 1995 brachten die Arizus auch den ersten herkunftskontrollierten Wein Lateinamerikas auf den Markt: die DOC Luján de Cuyo. Der gelernte Betriebswirt und passionierter Skifahrer Alberto leitet das Unternehmen seit 2005.
Das Argentinische Tageblatt sprach am Rande der ProWein exklusiv mit Laura Catena und Alberto Arizu über die Herausforderungen für die argentinischen Trauben in Europa und insbesondere unter den deutschsprachigen Märkten. Die CEOs von Catena Zapata und Luigi Bosca verwiesen aber auch auf die neue Chance, die sich zwischen Nordsee und Alpen öffnet. Ein Grund ist der sich neu ordnende und der Welt öffnende Außenhandel unter einer neuen Regierung. Ein zweiter, die Unbekanntheit des argentinischen Weines.
Die Herausforderung: „Der Verbraucher kennt uns kaum“
Im letzten Jahr verkauften argentinische Bodegas ihre Produkte in 127 Ländern. Im Top-Five: USA, Großbritannien, Canada, Brasilien und die Niederlanden. Die deutschen, österreichischen oder schweizer Märkte und Vinotheken erscheinen unter ferner liefen auf den hinteren Rängen. „Europa ist für unsere Weine zusammen mit den USA der Markt weltweit der wichtigste Exportziel. Doch nur in Großbritannien und den Niederlanden kennt man uns gut. In Deutschland etwa sind wir viel weniger oder kaum bekannt. Der Verbraucher kennt uns noch nicht. Und genau das ist auch unsere große Chance“, erklärt Laura Catena. Ähnlich die Erfahrung von Luigi Bosca-Chef, Alberto Arizu: „Auf den deutschsprachigen Märkte sind wir bisher allein dank der Nachfrage von Kennern präsent, die unsere exklusivsten Trauben kaufen“. Die argentinischen Winzer können bei den deutschen Endverbrauchern Punkten, wenn sie sich darauf konzentrieren, Trauben anzubieten, die den Geschmack der Kunden ergänzen, glaubt der Chef von Luigi Bosca. „Der deutsche Weinliebhaber fragt vorwiegend die ihm bekannten Heimat-Weine nach. Unsere Chance ist es, uns nicht als Alternative zu präsentieren, sondern als Ergänzung“, sagt Arizu. Und Laura Catena ergänzt: „Unsere Trauben setzen sich ab durch ihren starken Charakter, kräftige Aromen, einen durch den Anbau in großer Höhe ausgewogenen Mineralanteil, weichen Tanninen und einem dabei doch mittleren Alkoholgehalt, der sich auch dank des „long hang time“ ergibt, den unser Klima ermöglicht. Diese Mischung aus Ausgewogenheit und Charakter gilt es auszunutzen“.
Wettbewerbsvorteil: “Wir sind Nachhaltig aus der Not”
Ein Großteil der neuen argentinischen Qualitätsweine stammen aus den trockensten Regionen Argentiniens. Darunter, Mendoza, San Juan, Catamarca, Salta oder die erwähnten patagonischen Provinzen. „Die Mischung aus Trockenheit, sehr guter Boden-Dränage, langer Sonneneinstrahlung, großen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht aber auch die Höhe, machen heute aus Argentinien ein Paradies für jeden Winzer“, erklärt Laura Catena. Viele der argentinischen Bodegas betreiben einen Teil ihrer Weinproduktion auf mehr als 1.000 m Höhe, insbesondere in Valle de Uco oder Maipú, in Mendoza. Aber auch in Salta, wo zum Beispiel der Schweizer Donald Hess, seit Ende der 90er Jahre in seinen Bodegas Colomé und Amalaya, Premiumweine in 3.000 m produziert (Anm. d. Redaktion: Hess verstarb Anfang 2023. Heute führt Tochter Larissa und ihr Ehemann Christoph Ehrbar die Geschäfte).
„Unsere Reben werden in Wüsten geboren, in wenig fruchtbaren Böden. Das prägt von der Stunde null wie wir mit den natürlichen Ressourcen umgehen. Wir sind nachhaltig aus der Not“, sagt Arizu. In seiner Bodega werden 90% der Abfälle wiederverwendet oder aufbereitet, die Energie kommt hauptsächlich aus erneuerbaren Quellen wie Sonne oder Wind versichert er. Bei Catena ist das Erfolgsgeheimnis nicht viel anders: „Aus der Notwendigkeit haben wir ein Tugend gemacht. Allein im Hinblick auf das Flaschengewicht, den wir in den letzten 15 Jahren um 40% reduzieren konnten“, erklärt Laura Catena. Ihre Weine kommen in diesem Jahr zudem in neuen „super leichten“ Flaschen, die im Durchschnitt nicht mehr als 416gr wiegen.
Chardonnay und ein 20jähriger Cabernet-Malbec
Für das laufende Jahr haben sowohl Catena Zapata als auch Luigi Bosca einiges auf dem deutschen Markt vor. Catena will besonders mit einem 20-Jahre alten Malbec und einem Cabernet-Malbec-Blend aufwarten. „Wir wollen beweisen, dass der argentinische Wein genauso ausgereift und ausgewogen sein kann wie ein französischer oder italienischer Wettbewerber“. Arizu setzt vor allem auf einen Chardonnay. „Er belegt unser Potenzial für frische Charakter-Weine, wie man uns hier in Düsseldorf bestätigte“, so Arizu. Beide winemaker gehen davon aus, dass 2024 vielleicht -endlich- den Durchbruch für den argentinischen Wein nördlich der Alpen bringen kann. Laura Catena bringt es mit einem Lächeln und einem Satz auf den Punkt: „In diesem Jahr müssen wir uns mehr denn je auf eines konzentrieren: unsere Weine zu entkorken“.
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